25.4.09

Morgenweb

Nicht den Kopf, sondern das Herz

SCHAUSPIEL: Der Argentinier Alejandro Tantanian inszeniert Kafkas "Amerika" am Mannheimer Nationaltheater


"Nach meinem Gastspiel bei den Schillertagen 2007 wurde ich vom Theater eingeladen, mit dem Ensemble am Haus an einer Inszenierung zu arbeiten. Wir haben diskutiert, was auf die Bühne kommen sollte. Es würde ja immerhin meine erste Inszenierung in Deutschland werden", erzählt der argentinische Theatermacher Alejandro Tantanian beim Gespräch in der Kantine des Nationaltheaters. "Ich arbeite in der Regel mit Texten, die nicht fürs Theater geschrieben wurden. Meistens sind das Romane. Ich dachte zuerst an Faulkner, aber es gab Probleme mit den Rechten. So kamen wir auf Kafka. Ich war mir von Anfang sicher, dass es nicht die ,Verwandlung' oder der ,Prozeß' werden würde. Dann fiel die Entscheidung auf ,Amerika'."

Es ist die Geschichte des Karl Roßmann, der von seinen Eltern nach Amerika geschickt wird, nachdem er von einem Dienstmädchen verführt wurde und dieses nun ein Kind von ihm erwartet. Eine Art umgekehrter Bildungsroman und vor allem ein Ausdruck von Kafkas Faszination von Amerika. "Kafka kannte Amerika nur aus Westerngeschichten und Filmen. Klassische Filmstrukturen ziehen sich durch die gesamte Inszenierung. Im Rhythmus der Erzählung und dem Spiel der Schauspieler, beim Einsatz des Lichts - das Kino ist überall spürbar."

Tantanian geht es vor allem um die persönliche Lesart der Vorlage. "Sie finden hier keine typischen Kafka-Figuren im schwarzen Anzug, die sich seltsam verhalten. Für mich ist die Arbeit zu einer Explosion von Farben und Popmusik geworden. Fragmentiert, aber nicht kafkaesk. Jedenfalls nicht auf die Art, die man gewohnt ist, im Theater zu sehen. Kafka hat schließlich auch gelebt. Meine Arbeit zielt nicht auf den Kopf, sondern das Herz." Offenherzig und schnell spricht Tantanian über seine Arbeit. "In Argentinien ist der Arbeitsprozess am Theater ein anderer. Die Theater werden nicht öffentlich unterstützt und Proben nicht bezahlt, also kann es immer wieder zu längeren Pausen kommen, weil jeder seiner Arbeit woanders nachgeht. Dabei ist der Blog ein wunderbares Handwerkzeug, um Ideen zu sammeln und den anderen zu zeigen. Und man kann den Entstehungsprozess nachvollziehen, weil das Internet für jedermann offen steht." Offen wünscht sich der 43-Jährige auch die Welt des Theaters. "Vieles im heutigen Theater sind doch Altlasten eines strengen Theaterbilds von der Realität, das aus dem 19. Jahrhundert stammt. Realität à la Strindberg, mit den Sorgen um gesellschaftliche Stellung. Dabei verlieren wir die wichtigste Gabe der Menschheit, unsere Vorstellungskraft. Dagegen versuche ich anzugehen."

Bernd Mand

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